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Digitaler Nachlass: 5 Wahrheiten, die Ihr Testament aushebeln

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Der digitale Geist in unserem Leben

Haben Sie sich je gefragt, was mit Ihrem digitalen Leben passiert, wenn Sie nicht mehr da sind? Die meisten von uns verdrängen diese Frage. Das schmerzhafte Resultat sehen wir oft, wenn auf dem Facebook-Profil eines verstorbenen Freundes plötzlich automatisierte Geburtstagswünsche auftauchen – ein digitaler Geist, der die Hinterbliebenen quälend an ihren Verlust erinnert.
Unser Leben ist digital. Von den Fotos in der Cloud über berufliche Netzwerke bis hin zu Online-Banking und Abonnements hinterlassen wir unzählige Spuren. Doch was geschieht mit all diesen Konten, Verträgen, Fotos und potenziellen Vermögenswerten, wenn wir sterben? Weil die grosse Mehrheit keine Vorkehrungen trifft, hinterlassen sie ihren Liebsten emotionalen Stress, finanzielle Verluste und ein juristisches Chaos.
Dieser Artikel enthüllt fünf der überraschendsten und wichtigsten 5 Wahrheiten über den digitalen Nachlass in der Schweiz, die jeder kennen sollte. Denn die Planung Ihres digitalen Vermächtnisses ist heute ein unverzichtbarer Akt der Fürsorge.

 

1. Ihr Testament wird von den AGB von Apple & Co. ausgehebelt

Man sollte annehmen, dass ein notariell beglaubigtes Testament in der Schweiz über alle Vermögenswerte bestimmt. Die schockierende Wahrheit ist jedoch, dass Ihr letzter Wille an den Nutzungsbedingungen globaler Technologiekonzerne zerschellen kann. Dieser Konflikt zwischen dem traditionellen Schweizer Erbrecht und den Verträgen internationaler Anbieter ist eines der grössten Risiken im digitalen Nachlass.

Das Schweizer Erbrecht basiert auf dem Prinzip der Universalsukzession (Art. 560 ZGB). Demnach treten die Erben als Ganzes in alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein. Theoretisch umfasst dies auch digitale Konten und Guthaben. In der Praxis kollidiert dieses Prinzip jedoch frontal mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Unternehmen wie Apple, Google oder Meta.

Ein Blick in die Nutzungsbedingungen von Apple iCloud macht die Problematik deutlich:

Sofern gesetzlich nichts anderes vorgeschrieben ist, stimmst du zu, dass dein Account nicht übertragbar ist und dass alle Rechte an deiner Apple-ID oder deinen Inhalten innerhalb deines Accounts im Falle deines Todes enden. Bei Erhalt einer Kopie deiner Sterbeurkunde können dein Account aufgelöst und sämtliche Inhalte innerhalb deines Accounts gelöscht werden.

Die Implikation ist gravierend: Ein einfacher Klick auf "Ich stimme zu", den Sie vor Jahren getätigt haben, kann einen sorgfältig formulierten letzten Willen ausser Kraft setzen. Während deutsche Gerichte im berühmten "Facebook-Urteil" entschieden haben, dass Erben Zugang zu den Konten erhalten müssen, bleibt die Rechtslage in der Schweiz komplex und unklar. Für Schweizer Erben bedeutet dies eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die proaktive, technische Vorsorge umso wichtiger macht. Die Durchsetzung von Erbansprüchen gegen Konzerne mit Sitz im Ausland wird so zu einem langwierigen und oft aussichtslosen Kampf.

Doch während der Kampf gegen die AGB der Tech-Giganten ein rechtliches Minenfeld ist, lauern im digitalen Nachlass weitaus unmittelbarere und greifbarere finanzielle Gefahren.
 

2. Es geht um echtes Geld und Verträge, nicht nur um Social-Media-Profile

Der digitale Nachlass wird fälschlicherweise oft auf emotionale Aspekte wie Social-Media-Profile reduziert. Doch die Vernachlässigung dieses Bereichs hat handfeste finanzielle Konsequenzen und kann für Ihre Familie zu spürbaren Belastungen führen.

  • Laufende Kosten: Kostenpflichtige Abonnements für Dienste wie Netflix, Spotify oder Software-Lizenzen enden nicht automatisch mit dem Tod. Die Verträge laufen weiter, und Ihre Erben sind rechtlich verpflichtet, die Gebühren so lange zu bezahlen, bis sie die Konten finden und formell kündigen können. Ohne eine Übersicht und Zugangsdaten wird dies schnell zur monatelangen Kostenfalle.
  • Verlorene Guthaben: Vergessene Guthaben auf Diensten wie PayPal oder anderen Online-Bezahlkonten können unentdeckt bleiben. Wissen die Erben nichts von der Existenz dieser Konten, gehen die darauf befindlichen Gelder für den Nachlass verloren.
  • Unerreichbare digitale Vermögenswerte: Digitale Besitztümer wie Kryptowährungen sind Teil des Nachlasses, doch ohne den richtigen Zugang sind sie für immer verloren. Das Schicksal des Krypto-Millionärs Matthew Mellon ist eine eindrückliche Warnung: Er hinterliess ein Vermögen von 250 Millionen US-Dollar in Ripple, auf das seine Erben bis heute keinen Zugriff haben, weil niemand seine privaten Schlüssel kannte.

Die finanziellen Verluste sind nur eine Seite der Medaille. Eine weitere grosse Hürde ist, dass selbst die engsten Angehörigen oft keinerlei Zugriffsrechte haben.
 

3. Verheiratet? Das allein gibt Ihrem Partner keinerlei digitalen Zugriff

Einer der gefährlichsten und am weitesten verbreiteten Irrglauben ist die Annahme, der Ehepartner könne im Notfall oder nach dem Tod automatisch auf digitale Konten zugreifen. Das ist kategorisch falsch. Selbst die engste familiäre Beziehung öffnet keine digitalen Türen.

Die Ehe verschafft weder einen technischen noch einen unmittelbaren rechtlichen Zugang zu E-Mail-Postfächern, Cloud-Speichern oder Social-Media-Konten. Ohne eine explizite Regelung sind selbst die engsten Angehörigen komplett ausgesperrt.

Das entscheidende Instrument, um einer Vertrauensperson die nötige Befugnis zu erteilen, ist der Vorsorgeauftrag. Dieses Dokument muss jedoch zwingend zu Lebzeiten und bei voller Urteilsfähigkeit erstellt werden. Es ermächtigt eine von Ihnen bestimmte Person, Ihre Angelegenheiten – einschliesslich der digitalen – zu regeln, falls Sie dazu nicht mehr in der Lage sind. Überprüfen Sie umgehend, ob Ihr bestehender Vorsorgeauftrag den digitalen Nachlass explizit abdeckt, und beauftragen Sie Ihre Vertrauensperson unmissverständlich mit dessen Verwaltung.

Besonders kritisch wird diese Lücke im Fall einer langanhaltenden Urteilsunfähigkeit durch Krankheit oder Alter. Ohne gültigen Vorsorgeauftrag kann der digitale Nachlass über Jahre hinweg unzugänglich bleiben, während die Person noch lebt. Abonnements laufen weiter, wichtige digitale Angelegenheiten bleiben ungeregelt, und es entstehen erhebliche administrative Probleme.

Doch selbst wenn Sie mit einem Vorsorgeauftrag die rechtliche Grundlage schaffen, stellt die moderne Technologie eine weitere, unerwartete Hürde auf.
 

4. Ihre stärkste Sicherheitssperre (2FA) wird zur unüberwindbaren Mauer

Die wichtigste Massnahme zum Schutz Ihrer Daten zu Lebzeiten – die Zwei-Faktor-Authentifizierung – verwandelt sich nach Ihrem Tod garantiert in eine uneinnehmbare Festung gegen Ihre eigene Familie.

Die Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) ist ein unverzichtbarer Sicherheitsstandard, der neben dem Passwort eine zweite Bestätigung erfordert – meist einen Code per SMS oder über eine Authenticator-App. Genau diese Schutzmauer blockiert jedoch den Zugang für Hinterbliebene.

Selbst eine perfekte und vollständige Passwortliste wird wertlos, wenn der zweite Faktor fehlt. Ohne den physischen Zugriff auf das Smartphone des Verstorbenen, um den SMS-Code zu empfangen oder die App zu bedienen, bleibt die Tür zum digitalen Erbe verschlossen.

Die strategische Lösung liegt im primären E-Mail-Konto. Es ist der "Generalschlüssel" zum digitalen Leben, denn fast jeder Online-Dienst nutzt die hinterlegte E-Mail-Adresse zur Passwort-Rücksetzung. Wer Kontrolle über dieses Postfach hat, kann systematisch wieder Zugang zu den meisten anderen Konten erlangen. Zudem dient es als "digitale Landkarte", die durch Rechnungen und Bestätigungen einen Überblick über Online-Aktivitäten gibt.

Einige Anbieter bieten proaktive Werkzeuge an. Google stellt beispielsweise den "Kontoinaktivität-Manager" zur Verfügung, mit dem Sie eine Vertrauensperson benennen können, die nach einer gewissen Zeit Zugriff erhält. Solche Funktionen sind jedoch nicht Standard – bei Microsoft etwa fehlt eine vergleichbare Option.

Während der Zugang zum E-Mail-Konto die meisten Türen öffnet, gibt es eine Anlageklasse, bei der selbst dieser Generalschlüssel versagt: die dezentrale Welt der Kryptowährungen.
 

5. Kryptowährungen sind ein juristisches "schwarzes Loch" im Erbrecht

Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum stellen eine völlig neue und rechtlich extrem komplexe Herausforderung im Erbrecht dar. Anders als bei einem Bankkonto gibt es keine zentrale Instanz, die den Erben weiterhelfen kann. Der Zugriff hängt einzig und allein vom Besitz des "Private Key" ab. Ist dieser Schlüssel verloren, ist das Vermögen für immer unerreichbar.

Die Situation wird durch zwei zentrale Probleme verschärft:

Die technische Barriere: Der alleinige Zugang hängt vom Besitz des "Private Key" ab. Geht dieser verloren, gibt es keine "Passwort vergessen"-Funktion. Das Vermögen ist dann für immer unzugänglich.

Die rechtliche Unsicherheit: Die juristische Einordnung von Kryptowährungen in der Schweiz ist alarmierend unklar. Die Juristin Prof. Dr. Cordula Lötscher bringt die Brisanz auf den Punkt:

"Bitcoins sind keine Sachen. [...] Deshalb gebe es auch kein Eigentum an Bitcoins."

(https://www.srf.ch/news/wirtschaft/digitales-erbe-bitcoins-vererben-ist-kompliziert)

Diese juristische Einstufung hat eine schockierende Implikation: Sie könnte eine Lücke schaffen, um den gesetzlichen Pflichtteil von Erben zu umgehen. Eine Person könnte ihr Vermögen in Krypto investieren und die Schlüssel direkt an eine auserwählte Person weitergeben – komplett am formalen Erbgang vorbei.

Eine konkrete und praktische Lösung bietet die Verwahrung von Kryptowährungen in einem Wertschriftendepot bei einer Bank, wie es beispielsweise die Luzerner Kantonalbank anbietet. In diesem Fall werden die digitalen Vermögenswerte wie andere Wertpapiere behandelt, fallen klar in den Nachlass und der Zugang für die Erben ist im Todesfall geregelt und sichergestellt.

Diese Beispiele zeigen, dass Insellösungen nicht ausreichen; es bedarf einer umfassenden Strategie, um das digitale Erbe zu sichern.

 

Fazit: Digitale Vorsorge ist Fürsorge

Die Auseinandersetzung mit dem eigenen digitalen Nachlass ist keine technische Spielerei, sondern ein fundamentaler Akt der Fürsorge und des Respekts gegenüber den Hinterbliebenen. Die fünf Wahrheiten zeigen ein gefährliches Zusammenspiel: Rechtliche Hürden wie die AGB globaler Konzerne werden durch technische Barrieren wie die Zwei-Faktor-Authentifizierung zementiert. Die Folge sind Chaos, unnötige Kosten und emotionaler Schmerz in einer ohnehin schweren Zeit der Trauer.

Eine proaktive Planung schützt Ihre Familie und sichert Ihr Vermächtnis in einer Welt, in der unser digitales Ich weiterlebt.

Sind Sie bereit, die Kontrolle über Ihr digitales Vermächtnis zu übernehmen, bevor es zu spät ist?

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